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Die Liste der Komponisten wird laufend ergänzt und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Gustav Mahler (07.07.1860–18.05.1911)

Gustav Mahler war ein österreichischer Komponist und ein bedeutender Dirigent und Operndirektor. Von 1886 bis 1888 wirkte er in Leipzig.

  1. Lebensstationen
  2. Privates
  3. Verbindung zu Leipzig
  4. Rezeption
  5. Werke
  6. Quellen und Links

1. Lebensstationen

Gustav Mahler wird am 7. Juli 1860 als zweites Kind des jüdischen Spirituosenhändlers Bernhard und seiner Frau Marie Mahler in Kalischt in Böhmen geboren. Im Oktober des gleichen Jahres zog die Familie nach Mähren, wo Mahlers zwölf weitere Geschwister zur Welt kamen. Sechs von ihnen überlebten ihre ersten beiden Lebensjahre nicht. Im Alter von vier Jahren begann er zunächst Akkordeon später Klavier zu lernen, mit sechs Jahren erhielt er Unterricht in Harmonielehre und komponierte bereits erste, nicht erhaltene Stücke. Mahler besuchte ein deutsches Gymnasium und trat im Alter von neun Jahren erstmals öffentlich als Pianist auf. 1875 zog er nach Wien, um dort bis 1878 am Konservatorium Klavier, Komposition und Harmonielehre zu studieren.

1880 begann Mahler als Kapellmeister am Sommertheater im Kurort Bad Hall zu arbeiten. In den folgenden Jahren wirkte er an verschiedenen Orten, beispielsweise in Prag, in Leipzig mit Arthur Nikisch und in Budapest. Er lernte Komponisten wie Tschaikowsky und Strauss kennen und besuchte Konzerte von seinerzeit bekannten Dirigenten. Er reiste außerdem nach Bayreuth zu den Festspielen und lernte dort Cosima und Siegfried Wagner kennen. 1891–1897 war Mahler erster Kapellmeister am Stadttheater in Hamburg und unternahm als mittlerweile europaweit bekannter Dirigent einige Gastspielreisen. 1897 wurde er als Kapellmeister an der Hofoper Wien und als künstlerischer Direktor des Hofoperntheaters engagiert. Mahler hatte das Amt bis 1907 inne.

Nach dem Tod seiner Tochter Maria Anna 1907 und seiner Diagnose einer Herzkrankheit wurde Mahler von seinen Verpflichtungen in Wien entbunden und nahm ein Engagement als Dirigent der Metropolitan Opera in New York an. In den folgenden Jahren hielt er sich für jeweils einige Monate in Europa auf, bis er 1911 schwerer erkrankte und wenige Tage nach seinem letzten Konzert an einer Herzinnenhautentzündung starb.

2. Privates

Sechs von Mahlers Geschwister starben bereits sehr früh. Unter dem Tod seines Bruder Ernst im Alter von 13 Jahren litt er besonders. Auch Mahlers Eltern starben bevor er 30 Jahre alt wurde. Mahler sorgte anschließend für seine Geschwister, seine Schwester Justine lebte bis zu ihrer Heirat bei ihm.

Vor seiner Ehe war Mahler in mehrere Frauen verliebt, beispielsweise in Marion von Weber, eine Enkelin von Carl Maria von Weber, und in Hamburg in Anna von Mildenburg. Mit ihr führte er eine Beziehung, die er aber nach seinem Umzug nach Wien beendete. In Wien folgte eine kurze Beziehung zu Selma Kurz. 1902 heiratet Mahler in der Wiener Karlskirche Alma Schindler. Er hatte die Tochter des Malers Emil Jakob Schindler bei einem literarischen Salon kennengelernt. Mahler untersagte Alma, ihr eigenes kompositorisches Schaffen weiterzuführen. Künstlerische Konkurrenz in seiner eigenen Ehe kam für ihn nicht in Frage. Das Paar bekam zwei Töchter, Maria Anna und Anna Justine. Maria Anna starb im Alter von fünf Jahren plötzlich an Diphterie. Nach dem Tod Mahlers heiratet Alma den Architekten Walter Gropius und später den Dichter Franz Werfel.

Mahlers Musik scheint ein Ausdruck seiner inneren Welt, auch seine häufigen Berührungen mit dem Tod spiegeln sich wieder. Der Kompositionsprozess hatte für ihn etwas Mystisches: „Das Schaffen und die Entstehung eines Werkes sind mystisch vom Anfang bis zum Ende, da man, sich selbst unbewusst, wie durch fremde Eingebung etwas machen muss, von dem man nachher kaum begreift, wie es geworden ist,“ sagte er selbst. Mit seiner Musik schafft er ein Verständnis für das irdische Leben, aber auch darüber hinaus. Seine philosophische Weltsicht wird in seinen Sinfonien deutlich. In der 8. Sinfonie beispielsweise setzt er sich intensiv mit Ideen und Philosophien Goethes auseinander, er vertont Texte der Schlussszene des Faust.

Der aus einer jüdischen Familie stammende Mahler zeigte in seinem Verhältnis zum Judentum einen Entwicklungsprozess, der sich auch in seinen Sinfonien spiegelte. Der Komponist löste sich mehr und mehr vom Judentum als institutionalisierte Religion und lebte immer mehr eine eigene, freie Spiritualität. Der Dirigent und Komponist Oskar Fried, der ein guter Freund Mahlers war und unter anderem seine 6. Sinfonie erstaufführte, sagte einmal über ihn: „Er war ein Gottsucher,“ und meinte damit auch seinen kompositorischen Schaffensprozess. 1897 konvertierte Mahler zum Katholizismus, da er befürchtete, sein jüdischer Hintergrund könnte sich negativ auf seine beruflichen Möglichkeiten auswirken. Er hatte bereits in Kassel Erfahrungen mit antisemitischen Anfeindungen machen müssen. Mahler und seine beiden Schwestern Justine und Emma wurden in Hamburg getauft.

Seine spirituelle Suche prägte auch seine Arbeit als Komponist maßgeblich. „Ein Kunstwerk muss etwas Kosmisches an sich haben, muss unerschöpflich wie die Welt und das Leben sein […]“, sagte er selbst. Heute sieht man vor allem seine Sinfonien als Offenbarung seines Innersten, nicht nur des Bewussten, sondern auch des Unbewussten, des Mystischen.

3. Verbindung zu Leipzig

Bereits in seinem zweiten Jahr in Kassel sah Mahler sich nach anderen Arbeitsstellen um. Er war unzufrieden mit den engen Grenzen, die ihm am Kasseler Theater gesetzt wurden, und sah sich außerdem mit antisemitischen Beleidigungen konfrontiert. Die erste positive Rückmeldung kam aus Leipzig, sodass er 1885 den Vertrag für die Stelle des zweiten Kapellmeisters am Stadttheater unterschrieb. Schon vor seinem Amtsantritt befürchtete Mahler einen Konkurrenzkampf mit seinem Kollegen Arthur Nikisch, der erster Kapellmeister war. Dieser wirkte bereits seit 1878 in Leipzig und war in der Stadt sehr angesehen. Äußerungen zu dieser Rivalität, die sich auch immer wieder in Kündigungsversuchen äußerten, kamen aber nur von Mahlers Seite. Sicher wurden sie aber durch die Presse verstärkt, die die Unterschiede beider Kapellmeister in Wesen und Dirigat intensiv beleuchtete. Mahler, der dem Leipziger Publikum im Gegensatz zu seinem ruhigen, sparsam dirigierenden Kollegen eher durch lebhaftes Gestikulieren auffiel, stieß bei vielen Kritikern auf Zurückweisung. Seine künstlerischen Intentionen, besonders die Wahl der Tempi, war für Leipzig ungewohnt. Sein Debüt mit Wagners Lohengrin, der vorher nur von Nikisch aufgeführt wurde, erntete kritische Stimmen, aber auch Wohlwollen. 

Im Folgejahr fiel Arthur Nikisch als erster Kapellmeister krankheitsbedingt aus und Mahler übernahm dessen Dienste, dirigierte also fast täglich und musste auch die administrativen Aufgaben erledigen. Dies bedeutete eine hohe Arbeitsbelastung für ihn, aber auch die Möglichkeit, seinen Stand in der Stadt zu verbessern. Seine Aufführung des Ring des Nibelungen 1887 beispielsweise wurde von Kritikern, Publikum und der Presse sehr positiv aufgenommen. In dieser Zeit begann Mahler, sich in Leipzig wohl zu fühlen. Während er das erste Weihnachten in Leipzig allein und voller Heimweh in seiner Wohnung in der Gottschedstraße 4 (heute Nr. 25) verbrachte, wie er in einem Brief an seinen Freund Friedrich Löhr schrieb, freundete er sich im Laufe seines Aufenthaltes in Leipzig beispielsweise mit dem Ehepaar Weber an, das in der Johann-Sebastian-Bach-Straße 5 wohnte, und traf sich im Kaffeehaus mit Feruccio Busoni und Arturo Berutti. In dieser Zeit entstand auch seine 1. Sinfonie, die er den Webers vorspielte. 1887 zog er außerdem auf die Gustav-Adolf-Straße 12, wo er sich sofort sehr viel wohler fühlte. Mahler dachte nun nicht mehr an Wegzug, sondern sogar darüber nach, seine Eltern nach Leipzig zu holen. Auch das Publikum und die Kritiker waren inzwischen von seiner Arbeit begeistert, besonders die Premiere von Siegfried erntete viel Lob.

Zu Mahlers erneutem und endgültigem Kündigungsgesuch 1888 führten wohl seine Schwierigkeiten, sich nach Nikischs Rückkehr wieder in den Alltag als zweiter Kapellmeister einzufügen und die Erkenntnis, dass seine Hoffnung auf die Stelle des ersten Kapellmeisters aussichtslos blieb. Als Auslöser gilt ein Streit mit dem Oberregisseur Albert Goldberg. Der genaue Grund für den Konflikt ist unbekannt, möglicherweise fühlten sich beide vom jeweils anderen in ihrer Kompetenz beschnitten. Mahler verließ Leipzig, hielt jedoch die Verbindung und kehrte mehrmals in die Stadt zurück, unter anderem für die Aufführung seiner 2. und 3. Sinfonie 1896 und 1904.

4. Rezeption

Mahlers Beziehung zu Leipzig und seinen Musikerkollegen war eine oft schwierige. Neben der bereits angesprochenen schwelenden Konkurrenz mit Nikisch und der zunächst skeptischen Sicht der Kritiker auf seine künstlerische Arbeit, war auch sein Verhältnis zu den Orchestermusikern von Konflikten geprägt. Die Dreifach-Belastung des Klangkörpers durch die unterschiedlichen Spielstätten und die intensive Probenarbeit, für die Mahler bekannt war, sorgten für Unmut unter den Musikern, die auch mit Mahlers Persönlichkeit Schwierigkeiten hatten. Während er beispielsweise seine erste Sinfonie in Leipzig schuf, standen ihm die Türen zu Aufführungsmöglichkeiten in der Stadt nicht gerade offen. Er dirigierte das Stadtorchester nur in der Oper und nie mit einem sinfonischen Werk. Seine erste Sinfonie wurde zunächst in Budapest und Wien aufgeführt. Mahlers Werke wurde erst spät im Gewandhaus gespielt. Im Jahr 1897 erklang mit Was mir die Blumen auf der Wiese erzählen zum ersten Mal ein Werk von Mahler im Gewandhaus, die erste Sinfonie erstmals erst 1909 in Leipzig, aufgeführt von der Musikalischen Gesellschaft unter Georg Göhlers.

In seiner Hamburger Zeit war Mahler zu einem der anerkannten Dirigenten Europas geworden, das zeigen auch seine zahlreichen Gastspiele in europäischen Metropolen. Neben seinem kompositorischen Schaffen dirigierte er überdurchschnittlich viel und musste ein großes Arbeitspensum bewältigen. Sein Schaffen am Theater in Hamburg spielte außerdem eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung des Musiktheaters. Sein Streben nach Einheit von Musik und Darstellung und seine Vorstellung, wie dieses Konzept auf der Opernbühne in die Praxis umgesetzt werden sollte, führte zu einer Ausweitung seines Schaffens als musikalischer Direktor auf die szenische Arbeit. Dies führte zu einigen Konflikten mit der Intendanz. Er wirkte gleichermaßen als Regisseur und Dirigent. Auch für das Wiener Opernhaus bedeutete Mahlers reformatorische künstlerische Intention den Aufstieg zu einem der führenden Musiktheaterhäuser in Europa.
Während der Wiener Jahre gab Mahler Gastspiele in ganz Europa und stellte seine Kompositionen vor – mit unterschiedlichem Erfolg. Er hatte viele begeisterte Anhänger, auch in den USA, in der allgemeinen Öffentlichkeit trafen seine Werke – bereits vor dem NS-Regime – aber auch auf Unverständnis und Ablehnung, waren für viele Konzertbesucher zu modern. Die geringe Rezeption in der Öffentlichkeit ist zudem maßgeblich auf den Umgang mit Mahlers jüdischer Herkunft und seinem Werk im dritten Reich zurückzuführen, da seine Stücke von den Bühnen verbannt wurden. In den 1960er Jahren wurde seinen Werken mit der sogenannten Mahler-Renaissance die verdiente Aufmerksamkeit zuteil.

5. Werke

Sinfonien

  • 1. Sinfonie D-Dur (Uraufführung: 20. November 1889)
  • 2. Sinfonie c-Moll, Auferstehungssinfonie (großes Orchester, Orgel, zwei Vokalsolisten (Sopran, Alt) und Chor, Uraufführung: 13. Dezember 1895)
  • 3. Sinfonie d-Moll (großes Orchester, Vokalsolist (Alt), Frauen- und Knabenchor, Uraufführung: 9. Juni 1902)
  • 4. Sinfonie G-Dur (Orchester, Vokalsolist (Sopran), Uraufführung: 25. November 1901)
  • 5. Sinfonie ohne Tonartbezeichnung (großes Orchester, Uraufführung: 18. Oktober 1904)
  • 6. Sinfonie a-Moll (großes Orchester, Uraufführung: 27. Mai 1906)
  • 7. Sinfonie e-Moll (großes Orchester, Uraufführung: 19. September 1908)
  • 8. Sinfonie Es-Dur (sehr großes Orchester, Orgel, acht Vokalsolisten, zwei große gemischte Chöre und Knabenchor, Uraufführung: 12. September 1910)
  • Das Lied von der Erde (großes Orchester und zwei Vokalsolisten (Alt/Tenor oder Bariton/Tenor, Uraufführung: 20. November 1911)
  • 9. Sinfonie ohne Tonartbezeichnung (großes Orchester, Uraufführung: 26. Juni 1912)
  • 10. Sinfonie Fis-Dur , unvollendet (großes Orchester, Uraufführung des Adagios & Purgatorio-Satzes: 12. Oktober 1924 in Wien (postum)

Chorwerke

Orchester- und Klavierlieder

Kammermusik

  • Klavierquartett a-Moll (1. Satz und Fragment eines Scherzo-Satzes)
    Entstehung: etwa 1876–1877
    Besetzung: Klavier, Violine, Viola, Violoncello

Außerdem einige Bearbeitungen von Werken andere Komponisten, wie beispielsweise Bach, Mozart und Beethoven

Hörbeispiele

1. Sinfonie D-Dur (Uraufführung: 20. November 1889)

https://www.youtube.com/watch?v=5c1RDalpXuA

Das Lied von der Erde (Uraufführung: 20. November 1911)

https://www.youtube.com/watch?v=5-W1W0D-xhw

Klavierquartett a-Moll (1876–1877)

https://www.youtube.com/watch?v=xuIbFemb5P4

 

6. Quellen und Links

- Danuser, Hermann & Janz, Tobias, Art. Mahler, Gustav in: MGG Online, hrsg. von Laurenz Lütteken, Kassel, Stuttgart, New York 2016ff., zuerst veröffentlicht 2004, online veröffentlicht 2016, www.mgg-online.com/mgg/stable/11596

- Böhm, Claudius & Staps, Sven-W.: 250 Jahre Leipziger Stadt- und Gewandhausorchester, Leipzig 1993.

- Böhm, Claudius (Hrsg.): Mahler in Leipzig, Leipzig 2011

- https://gustav-mahler.org/, 03.03.2021 10:59 Uhr.

 

Bild:

Gustav Mahler 1892. Von E. Bieber - Kohut, Adolph (1900) "Gustav Mahler" in Berühmte israelitische Männer und Frauen in der Kulturgeschichte der Menschheit (Volume 1 Aufl.), Leipzig, Germany: Druck und Verlag von A. H. Payne, S. p. 143 Retrieved on 15. Juli 2009., Gemeinfrei, commons.wikimedia.org/w/index.php